Entwicklung und Aufbau einer Wasserstofftankstellen-Infrastruktur für LKW basierte Transportsysteme

von Dr. Hao Ngo
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Entwicklung und Aufbau einer Wasserstofftankstellen-Infrastruktur für LKW basierte Transportsysteme

Der Mobilitätssektor ist heute für 19% der globalen Kohlenstoffemissionen verantwortlich und wird bis 2050 mit einer Nachfrage von 285 Mt der größte Wasserstoffendverbraucher sein. [1]

Der Einsatz von Lithium-Ionen-Batterien ist eine Alternative zur Umsetzung des emissionsfreien Antriebs von PKW sowie von leichten- und mittelschweren LKW. Bei Anwendungsszenarien, die große Reichweiten, hohe Betriebszeiten und kurze Lade- bzw. Tankvorgänge erfordern, kann der auf Wasserstoff basierende Antrieb sowohl technisch als auch wirtschaftlich sinnvoller sein. Daher setzen viele LKW-Produzenten zur Elektrifizierung des Antriebs von schweren LKW auf die Brennstoffzelle. So haben beispielsweise Daimler Truck und die Volvo Group das Joint Venture cellcentric gegründet, um Brennstoffzellensysteme für Fernverkehr-LKW zu entwickeln, zu produzieren und zu vermarkten. [3], [4]

Abbildung 1: Globale Wasserstoffnachfrage nach Sektoren [2]

Emissionsfreie/Emissionsarme Antriebstechnologien für LKW

Für den LKW-Bereich sind vier emissionsfreie/emissionsarme Antriebstechnologien relevant.

Abbildung 2: Übersicht der emissionsfreien Antriebstechnologien für LKW [6]
Batterieelektrische LKW

Batterieelektrische LKW besitzen mit 75 - 85% die höchste Effizienz (well-to-wheel). Generell sind die CapEx verglichen mit dem Diesel- oder Wasserstoffverbrennungsmotor höher. Zudem schränkt das hohe Gewicht der Batterie die Nutzlast ein, was bei ohnehin schweren LKW einen relevanten Faktor darstellt. Für den Fernfrachtverkehr ist die Ladeinfrastruktur noch nicht weit genug ausgebaut und die Ladezeit mit mehr als 3 Stunden noch zu hoch, sodass nicht flexibel auf Störungen reagiert werden kann.

LKW mit Brennstoffzellen

LKW mit Brennstoffzellen besitzen eine Effizienz von ca. 35%. Die CapEx ist ähnlich hoch wie bei batterieelektrischen LKW. [7] Je nach Bauweise können die Brennstoffzellen, vor allem aber die Wasserstofftanks, unterschiedlich viel Platz im Fahrzeug einnehmen, sodass das Ladevolumen beeinträchtigt wird. Mit absehbaren Innovationen in den Hochdrucktanks wird diese Lücke jedoch zeitnah geschlossen werden. [8] Im Gegensatz zu den batterieelektrischen LKW sind die Ladezeiten mit 15 - 30 Minuten kurz. Um dieses Potential zu heben, muss die Infrastruktur der Wasserstofftankstellen signifikant ausgebaut werden.

Wasserstoff-Verbrennungsmotor

Die Dieselmotoren der LKW können mit wenigen Modifikationen durch die interne Wasserstoffverbrennung angetrieben werden. Im Vergleich mit der Brennstoffzelle bietet der Wasserstoff-Verbrennungsmotor eine kompaktere und leichtere Bauweise des Gesamtsystems, hochdynamische Betriebsmöglichkeiten ohne Leistungseinbußen und die Weiterverwendung bestehender Produktions- und Wartungskapazitäten sowie Kostenvorteile. [9] Im Effizienzvergleich ist der Wasserstoff-Verbrennungsmotor mit 30 % vergleichbar mit der Brennstoffzelle (35 %).

Synfuels

Der große Vorteil der Synfuels hingegen sind die existierenden Fahrzeuge und Infrastruktur. Ihre Effizienz ist mit knapp 20% jedoch die schlechteste der vier untersuchten Antriebe. Ohne regulatorische Veränderungen bleiben Synfuels teurer als fossile Kraftstoffe und können langfristig ebenfalls nicht mit der Batterie oder der Brennstoffzelle konkurrieren. Daher werden Synfuels in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich als Übergangskraftstoffe dienen. [10] Zur Integration von Elektrolyse- und Kompressortechnologien in die Synfuel-Produktion mit dem Fokus auf nachhaltige Kraftstoffe für die Luftfahrt (englisch: sustainable aviation fuel) hat sich NEUMAN & ESSER im Januar 2021 an INFINIUM beteiligt, einem Anbieter von klimaneutralen Flüssigkraftstoffen in Kalifornien, USA.

Potentiale von brennstoffzellenelektrischen LKW für den Fernfrachtverkehr

Aus Sicht der Gesamtbetriebskosten (englisch: Total Cost of Ownership TCO) werden batterieelektrische und brennstoffzellenelektrische Antriebe sowie der Wasserstoff-Verbrennungsmotor bis 2050 die relevanten Technologien für LKW sein. [11]

Im Kurzstreckenfrachtverkehr erreichen batterieelektrische Transporter und LKW in bestimmten Use Cases bereits Parität mit Dieselantrieben in der TCO. Gründe dafür sind die weiter sinkenden Batteriekosten und die Einführung von speziell entwickelten, batterieelektrischen Transportern. [12]

Doch im Langstreckenfrachtverkehr herrschen andere Anforderungen. Lange, unvorhersehbare Routen, strenge Lenkzeitvorschriften und höhere Nutzlasten erschweren den Einsatz des Batterieantriebs. Bei der aktuellen Energiedichte sind die Batterien zu schwer und die Ladegeschwindigkeiten zu langsam, um batterieelektrische LKW wirtschaftlich sinnvoll für lange Strecken einzusetzen. [13]

Eine Alternative bietet der Antrieb auf Basis von Wasserstoff (Brennstoffzelle oder Wasserstoff-Verbrennungsmotor): Zum einen kann durch die schnellere Betankung und die größere Reichweite das Betriebszeitpotenzial der LKW erhöht werden. Zum anderen kann durch das geringere Gewicht im Vergleich zu Batterien die Nutzlastkapazität gesteigert werden. Insgesamt verbessern diese Faktoren die TCO von Wasserstoff-LKW. [14]

Bis zum Jahr 2035 könnten in Europa bis zu 850.000 brennstoffzellenelektrische mittelschwere und schwere LKW (Medium-duty trucks, MDT und Heavy-duty trucks, HDT) unterwegs sein. Zusammen würden sie 6,9 Mt Wasserstoff pro Jahr verbrauchen, was den Aufbau von bis zu 4.800 Wasserstofftankstellen erfordern würde.[15]

Abbildung 3: Entwicklung der brennstoffzellenelektrischen Fahrzeuge in der EU und erforderlicher Wasserstoff [16]

Entwicklung und Realisierung von Wasserstofftankstellen in integrierten Projekten

Die Wasserstoffinfrastruktur wird oft als die größte Herausforderung bei der Realisierung von wasserstoffbasierten Logistiksystemen angesehen. Wasserstofftankstellen sind heute spärlich vorhanden. In Deutschland sind zurzeit über 110 Wasserstofftankstellen (350 bar und 700 bar) im Betrieb. [17] Zum Vergleich: Bei den Benzin- und Dieseltankstellen sind es über 14.000. Der Aufbau einer Wasserstofftankstelle erfordert beträchtliche Investitionen sowie eine Wertschöpfungskette zur Wasserstoffversorgung.

In integrierten Projekten mit mehreren Beteiligten, wie z.B. Tankstellenbetreibern, Flottenbetreibern, LKW-Produzenten und eventuell auch mit Beteiligten aus der Politik, plant und baut NEUMAN & ESSER Wasserstofftankstellen. In diesen Projekten werden zunächst für abgegrenzte Gebiete respektive vordefinierte Routen und für die zu betankende Fahrzeugflotte verschiedene Konzepte für das Wasserstofftankstellennetz entwickelt. Die Entwicklung der Konzepte erfolgt mit einem HRS-Simulationsprogramm (mehr dazu hier), das NEUMAN & ESSER in Kooperation mit TLK Energy entwickelt hat. Die Konzepte umfassen die Verteilung, die Anzahl sowie das Design der Wasserstofftankstellen. Das Design bezieht sich unter anderem auf die Wasserstoffversorgung, die Speicherbehälter, das Kühlsystem und die Dispenser. Die einzelnen Konzepte sind für verschiedene Zielgrößen optimiert, die z.B. durch die Wasserstoffverfügbarkeit, Dichtheit, den Durchsatz respektive Kosten dargestellt werden können (siehe Abbildung 4). Die entwickelten Konzepte bilden die Entscheidungsgrundlage für den Kunden, um das meistgeeignete Konzept entsprechend den Anforderungen des Anwendungsfalls auswählen zu können. Nach der Entscheidung für ein zu implementierendes Konzept beginnt die Detailplanung und -optimierung und der physische Aufbau der Wasserstofftankstellen.

Abbildung 4: Exemplarisches Konzept und Zielsystem einer Wasserstofftankstelle

Projektbeispiel: Aufbau von Wasserstofftankstellen in China

NEUMAN & ESSER hat 2022 mit der ShaanGu Europa Forschung und Entwicklung GmbH und Shaanxi Winner Digital Technology Co., Ltd. eine Kooperationsvereinbarung mit dem Ziel der Entwicklung und des Aufbaus der Wasserstoffwirtschaft in China unterzeichnet. Das erste Projekt ist gestartet: In der Provinz Shaanxi, China, soll eine Wasserstofftankstellen-Infrastruktur für LKW aufgebaut werden. Das Projekt teilt sich in drei Phasen auf:

Phase 1: Aufbau von Demonstrationsanlagen

In dieser Phase sollen bis zu fünf Wasserstofftankstellen aufgebaut werden, die eine kleine Logistikflotte von ca. 10 Fahrzeugen mit Wasserstoff versorgen. Mit dem o.g. HRS-Simulationsprogramm von NEUMAN & ESSER werden die Wasserstofftankstellen auf den drei geplanten Demonstrationsrouten optimal verteilt und dimensioniert.

Phase 2: Aufbau von Wasserstofftankstellen im großen Maßstab

In der zweiten Phase sollen bis 2025 weitere 75 Wasserstofftankstellen aufgebaut werden, die bis zu 10.000 brennstoffzellenelektrische LKW bedienen. Die Wasserstofftankstellen sollen insgesamt ein abgestimmtes Transportsystem bilden.

Phase 3: Kopplung der Wasserstofftankstellen-Infrastruktur mit erneuerbaren Energien

In der dritten Phase sollen erneuerbare Energiesysteme (Solarenergie, Windenergie) aufgebaut werden, die in Kombination mit Elektrolyseuren grünen Wasserstoff für das Transportsystem produzieren sollen. NEUMAN & ESSER besitzt Kompetenzen in der Entwicklung und Produktion von alkalischen Elektrolyseuren und PEM-Elektrolyseuren. Die Modellierung von Elektrolyseuren, die in Wasserstoffstofftankstellen integriert sind, ist ein weiteres Feature des HRS-Simulationsprogramms.

Die Wasserstofftankstellen sind mit Membrankompressoren oder trockenlaufenden, hydraulisch angetriebenen Kolbenkompressoren NEA|HOFER TKH ausgerüstet, mit denen der Wasserstoff auf einen Druck von 1.000 bar gebracht werden kann. Aktuell sind über 130 NEA|HOFER TKH weltweit in Wasserstofftankstellen verbaut. Bei größeren Mengen an Wasserstoff ist eventuell die Kombination bzw. Integration von einem trockenlaufenden Kolbenkompressor notwendig. Alle genannten Kompressortypen arbeiten ölfrei, sodass der Wasserstoff die hohen Reinheitsanforderungen für die Mobilität erfüllt.

In vielen Anwendungsfällen ist die Integration eines Elektrolyseurs in die Wasserstofftankstelle sinnvoll, da der Wasserstoff dann direkt vor Ort produziert und in die Fahrzeuge getankt werden kann. Somit werden Kosten eingespart, die anfallen würden, wenn man den Wasserstoff über Rohrleitungen oder in Trailern zur Tankstelle transportiert.

Abbildung 5: Beispiel eines dreistufigen NEA|HOFER Membrankompressors

Im November 2022 verkaufte NEUMAN & ESSER seine erste Wasserstoffproduktions- und Betankungsstation (englisch: Hydrogen Production Refueling Station HPRS). Der Lieferumfang umfasst einen PEM-Elektrolyseur mit 300 kW, der Wasserstoff mit 30 bar produziert, einen NEA|HOFER MKZ Membrankompressor für 200 und 900 bar, Nieder- und Hochdruckspeicher, einen Dispenser für die Betankung von Fahrzeugen, einen Generator Set (GenSet) für die Energieumwandlung sowie die komplette Installation und Inbetriebnahme vor Ort. Diese schlüsselfertige Anlage wird in Brasilien in der Universität UNIFEI für den internen Bedarf an Wasserstoffmobilität installiert. Die Universität befindet sich selben Bundesstaat wie das Büro von NEUMAN & ESSER in Belo Horizonte.

Abbildung 6: Beispiel eines trockenlaufenden, hydraulisch angetriebenen Kolbenverdichters NEA|HOFER
Literaturverzeichnis

[1] Hydrogen Council; McKinsey & Company: Hydrogen for Net-Zero – A critical cost-competitive energy vector, November 2021, P. 16

[2] Hydrogen Council; McKinsey & Company: Hydrogen for Net-Zero – A critical cost-competitive energy vector, November 2021, P. 13

[3] trucknbus.hyundai.com/hydrogen/de [accessed on 12th December 2022]

[4] www.daimlertruck.com/innovation/antriebe/partnerschaften.html [accessed on 12th December 2022]

[5] Hydrogen Council; McKinsey & Company: Hydrogen for Net-Zero – A critical cost-competitive energy vector, November 2021, P. 16

[6] Heid, Bernd; Martens, Christopher; Orthofer, Anna: How hydrogen combustion engines can contribute to zero emissions, June 2021, P. 4

[7] Heid, Bernd; Martens, Christopher; Orthofer, Anna: How hydrogen combustion engines can contribute to zero emissions, June 2021, P. 4

[8] McKinsey Center for Future Mobility: Preparing the world for zero-emission trucks – The mainstays of commercial road transport will soon benefit from cost-effective, zero-emissions horsepower, September 2022, P. 8

[9] www.irt.rwth-aachen.de/cms/IRT/Forschung/Forschungsprojekte-dyn-Liste-/~sklkp/HyInnoICE/ [accessed on 12th December 2022]

[10] McKinsey Center for Future Mobility: Preparing the world for zero-emission trucks – The mainstays of commercial road transport will soon benefit from cost-effective, zero-emissions horsepower, September 2022, P. 8

[11] FEV Consulting: Low carbon pathways until 2050 - Deep dive on heavy-duty transportation, July 2019, P. 5

[12] Heid, Bernd; Martens, Christopher; Wilthaner, Markus: Unlocking hydrogen’s power for long-haul freight transport - As the demand for hydrogen in transportation increases, it is imperative to develop infrastructure to supply trucks, buses, and cars, P. 2

[13] Heid, Bernd; Martens, Christopher; Wilthaner, Markus: Unlocking hydrogen’s power for long-haul freight transport - As the demand for hydrogen in transportation increases, it is imperative to develop infrastructure to supply trucks, buses, and cars, P. 2

[14] Heid, Bernd; Martens, Christopher; Wilthaner, Markus: Unlocking hydrogen’s power for long-haul freight transport - As the demand for hydrogen in transportation increases, it is imperative to develop infrastructure to supply trucks, buses, and cars, P. 2

[15] Heid, Bernd; Martens, Christopher; Wilthaner, Markus: Unlocking hydrogen’s power for long-haul freight transport - As the demand for hydrogen in transportation increases, it is imperative to develop infrastructure to supply trucks, buses, and cars, P. 2

[16] Heid, Bernd; Martens, Christopher; Wilthaner, Markus: Unlocking hydrogen’s power for long-haul freight transport - As the demand for hydrogen in transportation increases, it is imperative to develop infrastructure to supply trucks, buses, and cars, P. 3

[17] App H2.Live [accessed on 12th December 2022]

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